Zu differenzieren ist die Bezeichnung des chronischen Erschöpfungssyndroms als eigenständige Erkrankung mit unklarer Ursache von einem Erschöpfungssyndrom als Begleiterscheinung einer Primärerkrankung. Während bei einem chronischen Erschöpfungssyndrom die Ursachen nicht klar zu spezifizieren sind und die ersten Symptome der Müdigkeit und Abgeschlagenheit meist nach einem grippalen Infekt oder einer Virusinfektion auftreten, sind dieselben Krankheitsmerkmale auch bei einigen Primärerkrankungen als begleitendes Symptom bekannt. In solchen Fällen sprechen Mediziner vom Fatigue-Syndrom. Die Begrifflichkeit kann zur Verwechslung führen, weil auch das chronische Erschöpfungssyndrom international als Chronic Fatigue Syndrome bezeichnet wird. Das Fatigue-Syndrom betrifft vor allem Patienten mit chronischen, tumorbedingten oder psychischen Erkrankungen.
Multiple Sklerose ist eine chronische Entzündung des zentralen Nervensystems, bei der aus bislang ungeklärter Ursache das Immunsystem körpereigene Strukturen im Gehirn und Rückenmark bekämpft und zerstört. Bei mehr als 50 Prozent aller Patienten mit Multipler Sklerose ist ein Erschöpfungssyndrom als begleitendes Symptom bekannt. Je nach Grad und Fortschreiten der Multiplen Sklerose tritt das Fatigue-Syndrom auf zweierlei Arten auf. Manche Patienten leiden unter einer dauerhaften Müdigkeit, die das normale Leben nahezu unmöglich macht. Die zweite Form wird als motorische Fatigue bezeichnet. Nach nur kurzer Belastungsdauer überwältigt die Betroffenen eine spontane Müdigkeit, der Körper fordert eine unverzügliche Ruhepause.
Wissenschaftliche Studien haben bei MS-Patienten einige Faktoren erkannt, welche ein Erschöpfungssyndrom unmittelbar beeinflussen können. Dazu gehören z. B.:
Auch Morbus Parkinson ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, deren Ursache bis heute nicht eindeutig erforscht werden konnte. Bei Parkinson-Patienten sterben bestimmte Zellen, die das für den Bewegungsablauf zuständige Dopamin produzieren, im Gehirn ab. Auch bei Parkinson tritt das Erschöpfungssyndrom bei mehr als der Hälfte der Patienten auf.
Laut der Leitlinie „Idiopathisches Parkinson-Syndrom” ist das Fatigue-Syndrom bei Parkinson-Patienten als Symptom bekannt. Weil der Erschöpfungszustand und die typische Müdigkeit der Fatigue allerdings nicht körperlich gemessen, sondern nur klinisch diagnostiziert werden können, werden zur Messung des Ausmaßes bestimmte Skalen eingesetzt. Hierbei erfolgt eine Selbstbeurteilung des Patienten über die Ausprägung der Symptome. Bei Patienten mit Parkinson tritt das Erschöpfungssyndrom häufig in Verbindung mit Depressionen und Anhedonie auf. Letzteres ist ein verhaltensmäßiger Zustand des Patienten, bei dem dieser keine Freude und keine positiven Emotionen mehr empfinden kann.
Psychische Erkrankungen wie z. B. eine Depression, ein Burn-out-Syndrom oder auch Angststörungen können ebenfalls Symptome eines Erschöpfungssyndroms mit sich bringen. Bei Depressionen und Fatigue ist häufig nicht klar zu unterscheiden, welche Erkrankung zuerst bestand.
Weiterhin können auch starkes Übergewicht (Adipositas), Drogenmissbrauch oder Essstörungen auslösende Ursachen eines Erschöpfungssyndroms sein. Generell kann ein psychisches Ungleichgewicht immer dafür sorgen, dass sich der Betroffene matt und erschöpft fühlt. Bleibt dieser Zustand lange Zeit unverarbeitet, kann sich ein Erschöpfungssyndrom entwickeln.
Weil die Symptome subjektiv empfunden werden und eine eindeutige Diagnose insbesondere bei psychischen Vorerkrankungen schwierig ist, fühlen sich viele Betroffene unverstanden und einsam, was zu sozialem Rückzug führen kann. Ein Erschöpfungssyndrom ist bei psychischen Erkrankungen deshalb als besonders riskant einzustufen und bedarf in jedem Fall ärztlicher Beratung.
Sabrina Mandel