Die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms ist häufig ein langwieriger und für viele Betroffene kräftezehrender Prozess. Insbesondere, weil das Hauptsymptom der extremen Müdigkeit und Erschöpfung ein subjektives Empfinden ist, ist es besonders wichtig, dass zwischen Patient und Arzt ein vertrauensvolles Verhältnis besteht. Nur wenn der Arzt seinen Patienten ernst nimmt und die Symptome anerkennt, ist die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms möglich.
Beim Erstgespräch über die vorliegenden Beschwerden des Patienten ist es entscheidend, dass der Betroffene offen über seine Symptome spricht und seinen Leidensdruck schildert. Vor allem Angaben zum Ausmaß und zur Dauer der Symptome sind ausschlaggebend, um eine Diagnose stellen zu können.
Bestehen bereits Vorerkrankungen wie z. B. Multiple Sklerose, Parkinson oder eine Krebserkrankung, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei Symptomen wie anhaltender Müdigkeit und Erschöpfung um ein Fatigue-Syndrom handelt.
Speziell für Patienten mit einer Krebserkrankung gibt es einen eigens entwickelten Fragebogen für das Fatigue-Syndrom, den FACT-F („Functional Assessment of Cancer Therapy: Fatigue”) Dieser Bewertungsbogen fragt anhand von 13 Aussagen mit einem Schweregrad von null bis fünf den Zustand und das jeweilige Ausmaß der Empfindung des Patienten ab.
Schildert der Patient die Beschwerden ohne vorher bekannte Erkrankungen, steht dem Arzt bei seiner Diagnose ein anderer Fragebogen zur Verfügung, der auf einem Kriterienkatalog, dem sogenannten kanadischen Konsensuskatalog, basiert. Dieser Fragebogen wird auch vom Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom zur Verfügung gestellt und kann Betroffenen dabei helfen, selbst eine Einschätzung zu gewinnen, um Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Der Fragebogen ist in unterschiedliche Bereiche unterteilt. Aus den ersten drei Kategorien muss jedes Kriterium für die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms erfüllt sein:
1. Allgemeine Erschöpfung und Verschlechterung des Zustands nach Belastung
2. Schlafstörungen
3. Muskel- und Gelenkschmerzen
Sind all diese Kriterien erfüllt, sollen mindestens zwei der nachfolgenden Punkte zutreffen, um ein Erschöpfungssyndrom nachzuweisen:
4. Neurologische/kognitive Auswirkungen
Sind auch aus diesem Bereich zwei Kriterien zutreffend, werden weitere Parameter im autonomen (z. B. niedriger Blutdruck, Schwindel, extreme Blässe), neuroendokrinen (z. B. Appetitverlust, erhöhtes Stressempfinden) und immunologischen Zusammenhang (z. B. Halsschmerzen, Überempfindlichkeit der Lymphknoten, grippeähnliche Symptome) abgefragt. Ist auch hier in mindestens zwei Kategorien ein Symptom vorhanden, ist dies ein deutlicher Hinweis auf ein Erschöpfungssyndrom. Als sechstes und letztes Kriterium zur Diagnose eines chronischen Erschöpfungssyndroms gibt eine Dauer der Beschwerden von mindestes sechs Monaten den entscheidenden Aufschluss.
Um die Diagnose zu sichern, können zur Differenzialdiagnostik weiterhin labortechnische Untersuchungen wie Bluttests durchgeführt werden, um andere Erkrankungen als Ursache auszuschließen. Denn auch Eisenmangel, Stoffwechselstörungen, Infektionen und insbesondere Blutarmut können typische Symptome wie Müdigkeit auslösen. Liegen all diese Vorerkrankungen oder Mangelerscheinungen nicht vor, gilt die Diagnose eines Erschöpfungssyndroms als gesichert.
Sabrina Mandel